Netzentgelte für Industrie- und Gewerbekunden: Regionale Unterschiede und was Sie tun können

Netzentgelte sind für viele Unternehmen ein Buch mit sieben Siegeln. Verständlicher Weise. Allein der „Evaluierungsbericht der Anreizregulierungsverordnung“ der Bundesnetzagentur umfasst 483 Seiten…

Dennoch ist es wichtig sich mit dieser auf der Stromrechnung einmal ausführlicher zu befassen. Denn anders als bei der Zwangsabgabe zur Finanzierung der Energiewende kann man bei Netzentgeltkosten Einfluss auf die Kosten nehmen – aber ein Schritt nach dem nächsten.

Strom-Verteilnetzbetreiber-Deutschlandkarte

Es gibt alleine in Deutschland 880 Strom-Verteilnetzbetreiber und jeder hat ganz unterschiedliche Kosten zur Aufrechterhaltung der Versorgungs­sicherheit. Regional richten sich die Unterschiede in der Preisgestaltung nach diversen Parametern. Wie hoch ist der Anteil der erneuerbaren Energien im Einzugsgebiet, wie viele kleine Abnehmer sind vorhanden, wie viele Industriebetriebe aus welchen Branchen die zu welchen Tageszeiten das Netz belasten, wie groß ist der Sanierungsbedarf des Netzes usw. Problematisch ist allerdings die Entwicklung der Netzentgelte der letzten Jahre und diese ist in einigen Regionen oft dramatisch. So sind in einzelnen Netzgebieten Steigerungen zu 2015 um teils 20% und mehr keine Seltenheit.

Aber zurück zu den realen Kosten. Um dem Thema seine Abstraktheit zu nehmen haben wir im Folgenden einen realen Beispielkunden berechnet und die tatsächlichen Netzentgelte des Kunden minimal gerundet.

Aus den eingangs beschriebenen Parametern resultieren dementsprechend sehr unterschiedliche Netzentgeltkosten die der Netzbetreiber an die Kunden weiterreichen darf (und sogar noch daran verdient): Leistungspreis LP in €/kw und Arbeitspreis AP in ct/kWh, die sich nach den rechnerischen Benutzerstunden (kWh pro Jahr durch Jahresleistungs­höchstwert Pmax ) kleiner oder größer 2500h/a richten. Kleiner 2500h/a entspricht einem niedrigen Leistungspreis und einem hohen Arbeitspreis, größer 2500h/a umgekehrt eben hoher Leistungspreis und niedriger Arbeitspreis.

Das-deutsche-Stromnetz

Ein Beispiel: ein Gewerbekunde hat 540.000 kWh Jahresstromverbrauch und eine Höchstlast von 225 kW ergo 2400 Benutzerstunden und damit LP klein und AP hoch.

Zur Eingrenzung beschäftigt sich dieser Artikel nur mit Industrie- und Gewerbekunden mit ¼ stündlicher registrierter Leistungs­messung (RLM) und Jahresleistungspreis. Die tatsächliche Höhe des Entgeltes richtet sich dann noch nach der Entnahmestelle – der Netzebene. Auch hierbei schauen wir uns nur die Ebenen (1;3;5 & 7) an und lassen die Umspannungsebenen (2;4 & 6) außen vor. Höchstspannung und Hochspannung (110kV) sind visualisiert durch die Freileitungen und für die Preisgestaltung beim Industriekunden nur indirekt relevant, wir konzentrieren uns hier auf die Mittelspannungsebene (MS-5) und die Niederspannungsebene (NS-7). Das deutsche Stromnetz ist 1,8 Mio km lang und 1,66km davon entfallen in Summe auf MS und NS. In der Mittelspannungs­ebene befinden sich weitestgehend industrielle Abnehmer mit eigener Mittelspannungs-Transformator-Station und in der Niederspannung sind kleinere gewerbliche Abnehmer mit registrierter Leistungsmessung (ab 100.000 kWh Strom pro Jahr) ohne eignen Trafo.

Zum Beispiel: in der NS-7, kein eigener Trafo: Pmax 225kW zahlt der Kunde bspw. in einer Region in Schleswig-Holstein 20,00€ pro kW/a (LP: 4.500€) und 540.000kWh zu 4,4ct/kWh (AP: 23.760€) also 28.260€ für Netzentgelte (unter 2500 Benutzerstunden)

Bis hierhin ist die Übersicht der Kosten ein reines Zahlenspiel an Hand der Verbrauchsdaten und der sich jährlich aktualisierenden Preisblätter des lokalen Netzbetreibers. Unser Beispielkunde ist mit 540.000kWh allerdings ein sehr großer Abnehmer in der Niederspannung. Mit einer eignen Mittelspannungsstation und einem Spannungsebenen­wechsel in die Mittelspannung würde der Kunde bspw. folgende Netzentgelte zahlen: MS-5 mit eigenem Trafo: 9,00€ x 225kW = 2.025€ und 540.000kWh x 2,0 ct/kWh = 10.800€ in Summe 12.825€. Eine Kostenersparnis von 15.435€ pro Jahr!

Eine neue Trafostation in entsprechender Größe inklusive aller Kosten würde einmalig ca. 50.000€ kosten und hätte sich nach 3 Jahren amortisiert und nach dem 3. Jahr würde der Kunde bei gleichbleibenden Werten JEDES JAHR rund 15.500€ sparen.

Scheut der Kunde die Anschaffung einer Trafostation würde sich aber um eine Spitzenreduzierung um 30kW bemühen, würde er auch in der Niederspannungsebene immer noch eine erhebliche Einsparung erzielen: NS-7 >2500h: bspw. 99€/kW x 195kW und 540.000kWh x 1,2 ct/kWh zu gesamt 25.785€ und jährlich ca. 2.500€ Einsparung.

Aufschluss darüber, ob und in welcher Form der Kunde seine Jahreshöchstleistung (um 30kW oder mehr) reduzieren kann und ob ein Spannungsebenenwechsel möglich und ratsam ist, gibt eine „Professionelle Lastganganalyse“. Hierbei wird der letzte komplette Jahreslastgang des Kunden detailliert visualisiert und analysiert, Abweichungen und Besonderheiten aufgedeckt und eine Machbarkeitsanalyse gestellt.

Jeder Mann über 40 sollte sich einem umfangreichen Vorsorge-Gesundheitscheck unterziehen und JEDER verantwortungsbewußte Unternehmer sollte das „Langzeit-EKG“ seiner Firma analysieren lassen. Faustformel: je mehr kWh und je höher der Pmax um so wichtiger.

Der Mehrwert einer professionellen Lastganganalyse geht weit über die Analyse der Netzentgeltkosten hinaus. So können Einschaltspitzen (durch gleichzeitiges Einschalten und Hochfahren von Anlagen ) aufgezeigt werden, Druckluftleckagen erkannt, Hochlastzeitfenster analysiert werden, Produktionsoptimierungen abgeleitet, nachts- oder am Wochenende durchlaufende Verbraucher gefunden, aber auch die Funktionsweise von bestehenden Eigenenergieerzeugungsanlagen (Photovoltaik oder BHKW) kontrolliert werden, neue Anlagen besser geplant und bei Bedarf mit Stromspeichern ergänzt werden oder sogar wichtige Unternehmensentscheidungen zur und nach Neuanschaffungen von Werkzeugen oder Maschinen untermauern oder bestätigen. Ob und wie eine Beeinflussung der Jahreshöchstleistung umzusetzen ist, ob nun manuell (schwierig) oder elektronisch durch Lastmanagement – zeigt die professionelle Analyse.

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15.07.2016
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